Die Franzosen sind da


Ein Blick in die Geschichte


Wenn dieser Ruf heute mit einem freundlichen Unterton erschallt, so war das nicht immer der Fall.
Anfang vorigen Jahrhunderts mischten sich in diesem Ruf Unwille und Ärger. Es war die Zeit der
"Fremdherrschaft". Am 18. August 1807 wurde das "Königreich Westfalen" gegründet mit seinem
Sitz in Kassel-Wilhelmshöhe, die von da an "Napoleonshöhe" hieß. Jérome, dem Bruder Napoleons
war es zugeteilt worden. Auch die Grafschaft Rietberg fiel in diesen Bereich und gehörte zum Unterbezirk Paderborn.
Rietberg wurde Etappenort mit einem Platzkommandanten, einem Magazin und einem Friedensgericht.
Bürger, Beamte und Geistliche der Stadt mußten Jérome den Treueid leisten.
"Mit gezwungener Feierlichkeit huldigte man dem neuen König Jérome", schreibt die Stadtchronik.
Als erstes erging die Aufforderung an die Bischöfe, die Geistlichen an ihre Pflichten zu erinnern,
nämlich eine Predigt über den Gehorsam zu halten, ohne den weder die öffentliche Ruhe, noch die
Privatsicherheit garantiert werden könne. Neue Vorschriften, vor allem die neuen Steuern
(Mahlsteuer, Schlachtsteuer, Getränkesteuer) trafen die Bevölkerung sehr. Sie lehnte sich dagegen
auf, die Bauern probten den Aufstand. Die Stadt Rietberg mußte ihren kostbaren silbernen
Stadtpokal verkaufen, um die Abgaben leisten zu können.
Der Ruf "Die Franzosen kommen" wurde besonders laut, wenn wieder Quartiere für die durchziehenden
Truppen bereitgestellt werden mußten. In jeder Gemeinde waren genau die
Feuerstellen(Häuser) festgestellt und festgelegt worden, wieviele Personen und Pferde jedes Haus
aufnehmen konnte. Westerwiehe hatte z.B. 97 Feuerstellen. Davon waren 87 belegbar mit 150
Soldaten und 70 Pferden.
In der Stadt Rietberg selbst gab es einige Erleichterungen. Ausgenommen von der Einquartierung
waren die Häuser der Geistlichen und Schulbediensteten, "weil sie ja nicht als Eigentümer der
Häuser, die sie bewohnten, betrachtet werden können und das freie Benehmen und die
Ungebundenheit der Soldaten der Reinheit der Sitten, die in diesen Häusern herrschen soll, schaden
kann". Auch die Witwen und Jungfrauen sind von aller Einquartierung bei anderen Einwohnern
freigestellt. Sie wollen jedoch die ihnen zugedachte Einquartierung bei anderen Einwohnern, mit
denen sie sich gütlich einigen, unterbringen(Erl. v. 10.Mai 1809, STAR Nr.2818).
Nach einem Bericht aus Westerwiehe gingen die Bauern zu einer Sammelstelle. Dort erhielten sie einen
Zettel mit der Anzahl und den Namen der Soldaten. Bis zu 8 Mann wurden ihnen zugeteilt.
Wenn diese das Haus betraten, erhielten sie zunächst ein Getränk. Am häufigsten war es
Branntwein. Viele Franzosen mochten ihn nicht, forderten Bier, das aber selten im Haus war. Um
dieses zu besorgen, mussten die Bauern mindestens 1/2 Stunde bis zur nächsten Gaststätte
zurücklegen. Zum Abendessen wurde ihnen schwarzes Brot mit Speck angeboten. Das Brot wiesen
sie zurück mit dem Hinweis, das könne der Magen nicht vertragen. Milchsuppe mit Zwieback
entsprach schon eher ihren Ansprüchen. Sie wurden auch verpflegt mit Erbsensuppe, Gemüse
und Fleisch, Kartoffelsuppe und Schinken. Ihre Liebe galt allerdings den Hühnern. 3-4 Hühner für
6 Personen, in Butter gebraten, war keine Seltenheit. Und jede Menge Eier, in der Pfanne selbst
zubereitet, war ihnen ein besonderes Vergnügen. Für die Nacht haben die Bauern vielfach ihre
Betten räumen müssen, selbst im Stroh geschlafen.
Am anderen Morgen wurde den Soldaten Kaffee und Brot vorgesetzt, ihnen als
Reiseverpflegung Brot mit Speck und Schnaps mitgegeben.
Die Quartiergeber werden ihre Soldaten gern auf den Sammelplatz zurückgebracht haben. Ein
Abschied in Tränen mit dem Wunsch "Auf Wiedersehen" dürfte es kaum gegeben haben.
Wenn heute der Ruf erschallt "Die Franzosen sind da", machen sich die Rietberger freudigen Herzens
zur "Sammelstelle Schulzentrum" auf, um ihre "Einquartierung" in Empfang zu nehmen. Sie sind
gespannt darauf, wen sie diesmal beherbergen dürfen. In den vielen Jahren der Partnerschaft
Ribérac-Rietberg haben sich schon manche feste Freundschaften entwickelt. Zu Hause wird den
Gästen sogleich eine Erfrischung angeboten. Es bedarf nur eines Sprungs in den Keller, um das
gekühlte Bier herbeizubringen. Auch heute noch wird mancher Gast mit Mißtrauen das dunkle Brot
betrachten. Der von uns zubereitete Kaffee ist ungewohnt. Am nächsten Tag aber sind die frischen
Baguettes auf dem Tisch, denn der Bäcker wohnt nicht weit. Mit der "Verpflegung" gibt es keine
Probleme.
Nach Tagen freundschaftlicher Begegnung werden die Gäste wieder zum "Sammelplatz" gebracht.
Wenn der Bus sich in Bewegung setzt, gibt es ein kräftiges Winken, vielleicht sogar Tränen. Man
freut sich auf ein Wiedersehen. Laut schallt es über den Platz "Auf Wiedersehen, au revoir!"
Wußten Sie schon, dass der heutige Westwall im Volksmund Franzosenwall oder auch Totenwall
heißt? Tatsächlich sind hier Franzosen begraben. Im Jahre 1810 wurde hier ein neuer Friedhof
eingeweiht, nachdem der Friedhof am Nordtor überbelegt war.
Das Totenregister der Pfarre weist auf, dass im Jahre 1813 am 16.April sechs, am 19., 20. und
25.April je ein und am 26.April vier unbekannte Soldaten eines französischen Bataillons hier begraben wurden.